Jedes Jahr erstürmen sie die Nachtmärkte. In meiner Nähe sind es Saint Vivien, Vensac, Vendays, Montalivet und Grayan. Der Nachtmarkt in Grayan ist drei Häuser entfernt von meinem Haus. Ich bekomme also den Ansturm, den Geruch von Gebratenem und Fritiertem, Rock- und Popmusik hautnah mit. Im Juli und August. Danach ist wieder 10 Monate lang…
Jedes Jahr erstürmen sie die Nachtmärkte. In meiner Nähe sind es Saint Vivien, Vensac, Vendays, Montalivet und Grayan. Der Nachtmarkt in Grayan ist drei Häuser entfernt von meinem Haus. Ich bekomme also den Ansturm, den Geruch von Gebratenem und Fritiertem, Rock- und Popmusik hautnah mit. Im Juli und August. Danach ist wieder 10 Monate lang Ruhe. Das läßt sich aushalten. Und ja, ich habe freitags live-Musik gratis. Ab acht liege ich dann auf meiner Terrasse und lasse mich beschallen. Wenn jemand zu dem Zeitpunkt anruft und mich bittet, die Musik leiser zu stellen, muss ich passen. Auf die Musiker auf der Bühne habe ich keinen Einfluß; ich kann ins Haus gehen, wenn ich Ruhe haben will.
Der Nachtmarkt in Grayan geht um sechs los. Ich sehe sie an meinem Haus vorbeifahren, als gäbe es eine Tour de France für Familien mit Kindern. Da fahren sie mit E-bikes, Fahrrädern aus Omas Zeiten, auf dünnen Reifen, dicken Reifen, mit Kleinkindern auf dem Gepäckträger oder im Korb am Lenkrad. Einige haben Fahrradanhänger mit Babys oder Hunden darin. Autos können um diese Zeit im Ort nur waghalsig überholen, denn die Eltern fahren in der Mitte der Strasse, um ihre kleinen Kinder, die am Strassenrand zum Teil noch unbeholfen hin und her schlenkern, zu schützen. Sie kommen in Scharen. Die Deutschen. Fallen wie die Mücken ein, wie mir ein Franzose mit Schmunzeln sagte. Ich bin ja selbst eine von ihnen. Nur lebe ich das ganze Jahr hier.
Sie radeln, wie gesagt, in Gruppen, und kommen vor allem von dem 5 km entfernten Campingplatz in Le Gurp. Die meisten mit Helm, so wie es sich gehört.
Ich vermute, dass der Nachtmarkt zum Ferienvergnügen gehört: „Wir machen Urlaub in Frankreich!“ Die Temperatur, abends um sechs noch 27 Grad, der Piniengeruch und die Sonne, die an Freitagen dem Regen keinen Vortritt läßt, das ist Frankreich.
Die Standbetreiber auf dem Markt bieten vietnamesische Nem, selbst gesammelte Schnecken in leckerer Soße oder andere Köstlichkeiten an und haben die ersten Wörter auf deutsch parat. „Was möschten Sie, bitte?“ „Ein Eis, äh, une glace, s’il vous plait!“
Die Marktzelte laden nur ungefähr 100 Personen ein, an den langen Tischen und Bänken eng nebeneinander zu sitzen und ins Gespräch zu kommen. Deutsche und Franzosen. Gibt es im Zelt keinen Platz mehr, breiten viele Familien ihre mitgebrachten Decken aus und machen Picknick auf dem Boden. Auf dem gleichen Gras, auf dem nicht nur ich, sondern auch andere Hundebesitzer an allen anderen Tagen der Woche ihre Hunde spielen lassen. (Ich sammle immer hinter meinem Hund auf!)
Gegen zehn wird die Stimmung ausgelassener, ansonsten benehmen sich die Deutschen gut. Der Wein, Bier gibt es auch, enthemmt den einen oder die andere und „Highway to hell!“ wird mit Fingern und Fäusten in die Luft getaktet mitgebrüllt. Ich hab sie ausgelassen gesehen, beim Fotos machen, und ich höre sie laut und deutlich auf meiner Liege.
Irgendwann aufersteht an jedem Freitag zwei Monate lang Nena mit ihren 99 Luftballons. Das ist sicher als hommage an die deutschen Urlauber gedacht, die ja immerhin ein paar Euros an diesem schönen Urlaubsort lassen. Und, das muss auch gesagt sein, wunderbare Freundschaften schliessen.
Nena, immer noch Inbegriff deutscher Musikkultur, ist die einzige deutsche Sängerin, die ich an diesen Abenden höre. Na, Nena, dann lass sie fliegen. Sie kommen wieder, spätestens nächstes Jahr. „Bonsoir!“
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